Häufig werden in der geodätischen Praxis Messungen doppelt ausgeführt. Oft ist für die Ausführung dieser Messungen eine bestimmte Messungsanordnung vorgeschrieben, wie z.B. die Messung von Horizontalrichtungen und Zenitwinkeln in 2 verschiedenen Fernrohrlagen oder die doppelte Besetzung von Punkten mit GNSS-Antennen. Damit wir die Ergebnisse von zwei Messungen, die ursprünglichen Messwerte L' und L'', als Doppelbeobachtungen im Sinne der Ausgleichungsrechnung auffassen können, dürfen diese Beobachtungen entweder keine systematischen Differenzen d=E{L''-L'} besitzen, oder wenn doch, dann müssen diese für alle Paare von Beobachtungen gleich groß sein. Ist diese Bedingung erfüllt, können L' und L'' auch andere unkorrelierte Größen sein, z.B. berechnete Größen wie Koordinaten.
Messwerte werden in Form von eingegeben. Beachten Sie auch die Regeln für tabellarische Eingaben. Jeder Messwertsatz (Zeile des Texteingabefeldes) enthält ein Paar von Beobachtungen L' und L'', sowie ggf. einen Namen für die Messgröße L und zugehörige Standardabweichungen oder Gewichte in benutzerdefinierter Reihenfolge.
Standardabweichungen müssen in derselben Einheit wie die Beobachtungen gegeben werden. Sie können für jede Beobachtung getrennt oder auch für beide Beobachtungen eines Paares gemeinsam gegeben werden. Statt Standardabweichungen können genauso auch nur Gewichte gegeben werden. Hier spielt die Einheit keine Rolle. Fehlen einige oder alle Genauigkeitsmaße, so werden diese durch Ausfallwerte ersetzt. Wird in der Messwertliste keine Spalte für Genauigkeitsmaße selektiert, wird der Ausfallwert als Gewicht angesehen. Sind weder Genauigkeitsmaße im Texteingabefeld noch Ausfallwerte gegeben, werden alle Gewichte mit Eins angenommen, wobei eine Warnung erfolgt.
Unvollständige Messwertsätze oder solche mit Gewicht Null oder Standardabweichung INF werden ignoriert.
Sind Standardabweichungen σ gegeben, so werden diese in Gewichte p=1/σ² umgerechnet. Schließlich muss jede Beobachtung ein Gewicht besitzen.
Zunächst werden die Differenzen d=L''-L' und mittels Gewichtsfortpflanzung auch deren Gewichte wd berechnet.
Die Beobachtungen werden nacheinander in zwei unterschiedlichen Modellen ausgewertet:
In beiden Modellen werden Verbesserungen und ausgeglichene Beobachtungen geschätzt. Im Modell ohne systematische Differenz sind ausgeglichene Beobachtungen einfach die gewichteten Mittelwerte. Im Modell mit systematischer Differenz wird außerdem der ausgeglichene Wert der Differenz d geschätzt.
In beiden Modellen werden a posteriori Standardabweichungen σ für die ursprünglichen und ausgeglichenen Beobachtungen geschätzt. Im Modell mit systematischer Differenz wird außerdem die a posteriori Standardabweichung σd der ausgeglichenen Differenz d geschätzt.
Auf Wunsch können für Genauigkeitsschätzungen mehr Ziffern ausgegeben werden.
Wenn die Beobachtungen unkorreliert normalverteilte Messabweichungen aufweisen, sind die Differenzen der Beobachtungen oder die normierten oder studentisierten Differenzen der Beobachtungen eine statistische Stichprobe einer Zufallsvariable von einer bekannten Familie von Verteilungen.
gegeben | Standardabweichungen | nur Gewichte | |
---|---|---|---|
Gewichte/ | σL1 konstant | unterschiedlich | |
Stdabw. | σL2 konstant | ||
zu untersuchen | Differenzen | normierte Differenzen | studentisierte Diff. |
ΔL=L''-L' | ΔL/σΔL | ΔL/σΔL | |
Verteilung | Normalverteilung | t-Verteilung | |
falls d=0 | N(0,σL1²+σL2²) | N(0,1) | t(r-1) |
d = wahre systematische Differenz | σ = Standardabweichung der Beobachtungen | ||
r = Gesamtredundanz | σΔL = Standardabweichungen der Differenzen ΔL |
Auf diese Weise ist es möglich, statistische Hypothesen zu testen. Folgende Tests sind mit dem Rechenwerkzeug angewendet auf diese (normierten/studentisierten) Differenzen möglich:
Der Anderson-Darling-Test auf Normalverteilung testet für die (normierten) Differenzen die Hypothese der Normalverteilung. Wenn Parameter der Verteilung a priori bekannt sind, werden diese im Test benutzt.
Dieser Test ist nur möglich, wenn Standardabweichungen der Beobachtungen gegeben wurden. Dann kann statistisch getestet werden, ob die a posteriori Standardabweichung der (normierten/studentisierten) Differenzen mit dem a priori Wert übereinstimmt.
Hier wird statistisch getestet, ob die Beobachtungen frei von Ausreißern sind. Wurden Standardabweichungen der Beobachtungen gegeben, eignet sich der Ausreißertest nach Baarda (w-Test). Sind nur Gewichte gegeben sollte der Ausreißertest nach Pope (τ-Test) angewendet werden.
Hier wird statistisch getestet, ob die Beobachtungen keine systematische Differenz aufweisen, also d = 0 angenommen werden kann. Wurden Standardabweichungen der Beobachtungen gegeben, eignet sich der Einstichproben-Gauß-Test. Sind nur Gewichte gegeben, sollte der Einstichproben-t-Test gewählt werden.
Für 8 Punkte wurden im Abstand von 10 Jahren durch schnellstatische GNSS-Messungen die Höhen bestimmt. Die a priori Standardabweichungen werden im Jahr 2009 generell mit 30 mm angenommen, im Jahr 2019 kann von a priori Standardabweichungen von generell 20 mm ausgegangen werden.
Punkt | Höhe 2009 | Höhe 2019 |
---|---|---|
62-x-81 | 115.232 m | 115.252 m |
62-x-82 | 113.345 m | 113.357 m |
62-x-83 | 113.203 m | 113.215 m |
62-x-84 | 117.232 m | 117.230 m |
62-x-85 | 119.733 m | 119.720 m |
62-x-86 | 112.400 m | 112.434 m |
62-x-87 | 114.220 m | 114.206 m |
62-x-88 | 114.004 m | 114.009 m |
Wird eine systematische Differenz durch gleichmäßige Höhenänderung im gesamten Gebiet ausgeschlossen, so ergeben sich die ausgeglichenen Höhen in der zweiten Spalte der folgenden Tabelle. Die a posteriori Standardabweichungen dieser Höhen betragen 7.7 mm.
Wird eine systematische Differenz durch gleichmäßige Höhenänderung im gesamten Gebiet angenommen, so wird für diese Differenz der ausgeglichene Wert 6.7 mm erhalten. Die ausgeglichenen Höhen ergeben sich in der dritten und vierten Spalte der folgenden Tabelle. Die a posteriori Standardabweichungen dieser Höhen betragen 8.5 mm für 2009 und 7.8 mm für 2019. Die a posteriori Standardabweichung der Differenz wird auf 5.9 mm geschätzt.
d = 0 | d ≠ 0 | ||
Punkt | Höhe | Höhe 2009 | Höhe 2019 |
62-x-81 | 115.246 m | 115.241 m | 115.248 m |
62-x-82 | 113.353 m | 113.349 m | 113.355 m |
62-x-83 | 113.211 m | 113.207 m | 113.213 m |
62-x-84 | 117.231 m | 117.226 m | 117.233 m |
62-x-85 | 119.724 m | 119.719 m | 119.726 m |
62-x-86 | 112.424 m | 112.419 m | 112.426 m |
62-x-87 | 114.210 m | 114.206 m | 114.212 m |
62-x-88 | 114.007 m | 114.003 m | 114.010 m |
Um zu entscheiden, ob die Hypothese d = 0 angenommen werden kann, ist ein statistischer Hypothesentest nötig, in diesem Fall ein zweiseitiger Einstichproben-Gauss-Test der normalverteilten Stichprobe der Höhendifferenzen. Dazu müssen die Höhendifferenzen in geladen und berechnet werden. Die Teststatistik beträgt z = 0.53. Mit der Wahrscheinlichkeit für Entscheidungsfehler erster Art α = 0.05 = 5% lauten die kritischen Werte -1.96;1.96. Somit wird die Nullhypothese d = 0 angenommen.
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Ausgleichungslehrbücher |